Wolfgang Merz
Vor gut drei Jahren hatte ich 40-jähriges Dienstjubiläum. Mein Chef hat mich zum Essen eingeladen, hat sich artig für meine herausragenden Dienste, ohne die das Unternehmen zweifellos schon längst in Bedeutungslosigkeit versunken wäre, bedankt und mir zum Schluss mit tränennassen Augen eine Urkunde überreicht nicht ohne zu erwähnen, dass ich in den nächsten Tagen als Belohnung noch einen kleinen Geldbetrag auf meinen Bankkonto vorfinden würde. Eine bewegende Szene. Gut, ich war nicht der Einzige. Mit mir standen noch neun weitere Kollegen in der Reihe, was den Eindruck, ich ganz allein hätte die Firma über die Jahre gerettet, geringfügig verwässerte.
So ein Dienstjubiläum ist eine klare Sache. Es gibt einen Arbeitsvertrag, ein Einstellungsdatum und ein Personalbüro, das säuberlich und verlässlich die Jahre und Tage des Arbeitseinsatzes zählt.
Mit unserem Dorfjubiläum ist es ungleich
schwieriger. Wer hat das Dorf eingestellt, wer den Vertrag unterschrieben,
die Jahre gezählt und wo steht geschrieben, nach wie vielen dieser Jahre
es zum Essen eingeladen werden soll? Fragen über Fragen. Es ist klar,
mit dieser Logik kommen wir schwerlich weiter. Nähern wir uns dem Problem
mal ganz systematisch und schlagen im Duden nach:
Jubiläumsjahr, das: [jubi?l???msja???]
Jahr, in dem ein Jubiläum gefeiert wird
Wer die Lautschrift beherrscht ist klar im Vorteil, denn jetzt weiß er,
wie das Jubiläumsjahr ausgesprochen wird. Aber wann, ob und wie gefeiert
werden soll, liegt immer noch im Dunkeln.
Versuchen wir es mal mit Jubiläum:
Jubiläum, das: [jubi?l???m], festlich
begangener Jahrestag eines bestimmten Ereignisses
Auch diese Definition lässt uns leider im Regen stehen. Das Unterschreiben
eines Arbeitsvertrages ist solch ein bestimmtes Ereignis, von dem hier die
Rede ist und ab dem man sauber rechnen kann. Mit unserem Dorf haben wir aber
keinen Vertrag, höchstens eine Ersterwähnungsurkunde. Schon das
Wort lässt den Personalchef erschauern. Stellen Sie sich doch nur einmal
vor, die Dienstjahre eines Mitarbeiters fingen erst dann an zu zählen,
wenn er zum ersten Mal im Jahresbericht seiner Firma lobend erwähnt
wird. Die allermeisten von uns würden nie zum Jubiläumsessen eingeladen
werden.
Was sagt eigentlich Wikipedia zu dem Thema:
„Jede jährliche Wiederkehr eines besonderen Ereignisses
ist als Jubiläum zu bezeichnen.“ Bingo, das bringt
uns weiter. Als „besonderes Ereignis“ kann man leicht die Ersterwähnung
Wernborns in einem Kloster-Kassenbuch hernehmen, die unübersehbar
in der Eichkopfhalle an der Wand hängt. Der fragliche Eintrag erfolgte
1191, das macht bis 2016 ganze 825 Jahre.
Erleichtert lesen wir weiter:
„Neben dem Jahrestag sind alle Vielfachen von 100, 50, 25, 10 oder
auch 5 besondere Jubiläen. Das Jubiläum ist umso bedeutender, durch
je mehr der vorgenannten Zahlen es ohne Rest teilbar ist.“
Aha, jetzt holen wir den Taschenrechner raus. 100, 50 und 10 scheiden wegen
dem Rest, der nicht bleiben darf, aus. 25 und 5 sind möglich. Wir können
in 2016 also entweder die 165. oder die 33. Wiederkehr eines jubiläumsfähigen
Zeitintervalls feiern. Können Sie noch folgen? Rechnen Sie es ruhig
nochmal in Ruhe nach, sobald sich Ihre Aufregung etwas gelegt hat.
Bleibt zu entscheiden, ob wir nun die 165 oder die 33 nehmen sollen. 165
klingt irgendwie profan, ist also nur zweite Wahl. Im Supermarkt-Regal lassen
wir die 2. Wahl ja auch liegen, es sei denn, es ist Monatsende und die Kassenlage
klamm.
Bleibt die 33. Das ist doch was, eine Schnapszahl, die jedem Karnevalsverein
willkommener Anlass für eine ausgiebige Feier wäre. Der ehemalige
Wernborner KCA-Sitzungspräsident und heutige KCA-Ehrenpräsident
E.Z. pflegt in seinen Reden ein solches Ereignis solchermaßen in einen
Reim zu kleiden: „So wolle wir es nicht versäume, zu feiern
dieses Jubiläume!“